Hintergrundmaterial zu Mythos
MacLoughlin und d’Albret, Gespräche und Gedanken im Hotel in Jaén
Hiob
Die Zitate d’Albrets stammen aus dem Buch Hiob/Ijob (Einheitsübersetzung
der Bibel)
Pisco sour
Ein Cocktail mit dem Traubenschnaps Pisco, der nach der peruanischen Stadt
Pisco benannt ist.
„Anfall philosophischer Verzweiflung“ - Henry Sidgwick
Ein britischer Moralphilosoph des 19. Jahrhunderts: „Ich bin so weit
davon entfernt, mich gedrängt zu fühlen, etwas zu praktischen
Zwecken zu glauben, für das ich keinen Grund sehe, es auch als spekulative
Wahrheit anzunehmen, dass ich mir den Geisteszustand, den diese Worte zu
beschreiben scheinen, nur vorstellen kann als eine momentane halbfreiwillige
Irrationalität in einem heftigen Anfall philosophischer Verzweiflung.“
Nach J.L. Mackie: Das Wunder des Theismus.
Soziales und Asoziales im Christentum, Leid, Sklaverei und ewiges
Leben
Der britisch-amerikanische Journalist Christopher Hitchens, der US-Journalist
Mark Cook und andere berichteten, dass Mutter Teresa (1910 - 1997) im Oktober
1981 bei einer Pressekonferenz im Schwarzen-Ghetto Anacosta in Washington
gefragt wurde: „Do you teach the poor to endure their lot?“
Sie sagte: "I think it is very beautiful for the poor to accept their
lot, to share it with the passion of Christ. I think the world is being
much helped by the suffering of the poor people." (Ich denke, das Leid
der Armen ist eine große Hilfe für den Rest der Welt.“)
So etwas ähnliches hat auch der britische Philosoph Richard Swinburne
gesagt. Manche Menschen müssen unbedingt krank sein, um anderen wichtige
Entscheidungen zu ermöglichen. Nur so könnte man manche Menschen
dazu bewegen, sich ernsthaft zu entscheiden, was für Menschen sie sein
wollen. Dieser christliche Philosoph hat auch erklärt, der Holocaust
hätte den Juden eine großartige Gelegenheit verschafft, sich
als mutig und edel zu erweisen. Und wenn durch die Atombombe von Hiroshima
auch nur ein Mensch weniger verbrannt wäre, dann hätte es eine
Gelegenheit weniger für Mut und Mitgefühl gegeben.
Auch Jesus hat nicht gegen die Armut gepredigt oder selbst etwas gegen die
Armut getan. Er hat die Armen offenbar als Gelegenheit für seine Anhänger
betrachtet, Gutes zu tun, und damit vor ihm und Gott gut dazustehen. „Was
ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr
mir getan." Ist das nicht schon Leidensmissbrauch? Und dass ein Kamel
eher durch ein Nadelöhr geht, als dass ein Reicher in das Reich Gottes
gelangt, ist nicht die Forderung nach einem Sozialprogramm. Reich zu sein
war für Christen und Muslime nie wirklich eine Sünde. Man muss
seinen Reichtum nur ehrlich erwerben und zugleich barmherzig sein und alles
ist gut.
Benedikt XVI. erklärte in seiner Enzyklika Spe salvi von 2007: „Das
Christentum hatte keine sozialrevolutionäre Botschaft gebracht, etwa
wie die, mit der Spartakus in blutigen Kämpfen gescheitert war. Jesus
war nicht Spartakus, er war kein Befreiungskämpfer wie Barabbas oder
Bar-Kochba. Was Jesus, der selbst am Kreuz gestorben war, gebracht hatte,
war etwas ganz anderes: die Begegnung mit dem Herrn aller Herren, die Begegnung
mit dem lebendigen Gott und so die Begegnung mit einer Hoffnung, die stärker
war als die Leiden der Sklaverei und daher von innen her das Leben und die
Welt umgestaltete.“
Selbst wenn die äußeren Strukturen gleich bleiben, sagt der Papst, ändert der Glaube und die Hoffnung die Gesellschaft von innen her. Die gegenwärtige Gesellschaft, so Benedikt, wird von den Christen als uneigentliche Gesellschaft erkannt; sie gehören einer neuen Gesellschaft zu, zu der sie miteinander unterwegs sind und die in ihrer Wanderschaft antizipiert wird.
Es geht nicht darum, die soziale Ordnung umzuwerfen und sie nach neuen Regeln zu gestalten. Noch einmal: Es geht um Hoffnung auf Erlösung. Und Glaube ist Hoffnung. Der Glaube wiederum gibt uns, wie Benedikt sagt, schon jetzt etwas von der erwarteten Wirklichkeit, und diese gegenwärtige Wirklichkeit ist es, die uns ein ‘Beweis’ für das noch nicht zu Sehende wird. Er zieht Zukunft in Gegenwart herein, so dass sie nicht mehr das reine Noch-nicht ist. Dass es diese Zukunft gibt, ändert die Gegenwart; die Gegenwart wird vom Zukünftigen berührt, und so überschreitet sich Kommendes in Jetziges und Jetziges in Kommendes hinein. Trotzdem ist es natürlich gut und richtig, Armen zu helfen.
Das ist alles schwer zu verstehen. Psychologen sprechen von sich selbst erfüllenden Prophezeiungen: Menschen, die fest davon überzeugt sind, verflucht zu sein, werden krank und können sogar sterben. Und wer sicher ist, dass etwas Großartiges bevorsteht, der fühlt sich besser. Da wirkt eine Vorstellung von der Zukunft auf die Gegenwart. Das ändert nichts daran, dass es nur eine Vorstellung von der Zukunft ist, häufig eine trügerische Illusion, und keine Offenbarung. Und der Sklave, der sein Leiden hin nimmt in der Hoffnung auf bessere Verhältnisse im Jenseits, leistet vielleicht weniger Widerstand, was seinem Herrn natürlich entgegenkommt.
Aber es geht im Glauben nicht darum, dass der Leidende einfach nur auf das bessere Jenseits wartet. Gott hat sich doch in Christus gezeigt und uns die Substanz des Kommenden mitgeteilt. Das Warten auf Gott erhält eine neue Gewissheit. Es ist, sagt der Papst, Warten auf Kommendes von einer schon geschenkten Gegenwart her. Wir warten in der Gegenwart Christi, mit dem gegenwärtigen Christus auf das Ganzwerden seines Leibes, auf sein endgültiges Kommen hin. Und es geht nicht darum, sich zu verstecken. „Gott hat uns nicht den Geist der Verzagtheit gegeben, sondern den Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit." Das hat Paulus geschrieben und es stellt die Grundhaltung des Christenmenschen dar. Und das bedeutet nicht, dass wir nicht versuchen können, Leid zu bekämpfen. Wir werden es aber nicht aus der Welt schaffen. Und, sagt Benedikt, gerade, wo Menschen im Versuch der Leidvermeidung sich allem zu entziehen suchen, was Leid bedeuten könnte, sich die Mühsal und den Schmerz der Wahrheit, der Liebe, des Guten ersparen wollen, treiben sie in ein leeres Leben hinein, in dem es vielleicht kaum Schmerz, um so mehr aber das dumpfe Gefühl der Sinnlosigkeit und der Verlorenheit gibt. Nicht die Vermeidung des Leidens, nicht die Flucht vor dem Leiden heilt den Menschen, sondern die Fähigkeit, das Leiden anzunehmen und in ihm zu reifen, in ihm Sinn zu finden durch die Vereinigung mit Christus, der mit unendlicher Liebe gelitten hat.
Man kann wohl davon ausgehen, dass der Papst Sklaverei ebenfalls für
unmenschlich und moralisch verwerflich hält, auch wenn das aus seinen
Worten hier nicht so deutlich hervorgeht. Und es irritiert schon, wenn es
so klingt, als sei Leid etwas Gutes, weil wir im Leiden einen Sinn finden
durch die Vereinigung mit Christus und so weiter. Das klingt alles nach
einem ziemlich mitleidlosen Gott.
Für Gläubige kann Gott aber mitleiden - hat Bernhard von Clairvaux
gesagt. Und der Mensch ist Gott so viel wert, dass er selbst durch Christus
Mensch wurde, um mit dem Menschen mitleiden zu können, ganz real in
Fleisch und Blut.
Dieser Bernhard war derjenige, der zum zweiten Kreuzzug nach Jerusalem
aufgerufen und sich Mönche als Krieger gewünscht hat, Krieger
im Namen des Christentums. Was hat uns ein Mensch mit dieser Gesinnung heute
noch zu sagen?
Aber noch einmal: Jesus sollte nicht mit einem Sozialrevolutionär verwechselt
werden. Laut Markus sagte Jesus ja auch, gebt dem Kaiser, was des Kaisers
ist, und Gott, was Gottes ist. Auf dieser Grundlage verurteilte Martin Luther
auch die Bauern, die gegen die Fürsten aufgestanden waren. Denn die
weltliche Ordnung ist von Gott, und der muss ja wissen, warum er es so eingerichtet
hat, dass es Herrn und Knecht gibt.
Atheisten müssen das anders sehen. Viele halten es für besser, im Diesseits dafür zu kämpfen, dass es den Menschen gut geht und sie ihr kurzes, einziges Leben genießen können, denn wenn es allen gut geht und sich niemand mehr beschweren kann, dann geht es auch mir und den Meinen gut. Auch ohne Christentum und Erbsünde, der ewigen Verdammnis und allem dramatischen Drum und Dran kann man ein guter Mensch sein. Gläubige haben wegen alter Bücher keinen höheren Anspruch auf Moral und Ethik. Im Gegenteil. Es ist edler, ohne Angst vor einem strafenden Gott gut zu sein, einfach weil einem die Menschen, inklusive der eigenen Person, am Herzen liegen. Es ist vernünftiger, Gebote aufzustellen, die sich aus dem Nutzen menschlicher Fürsorge und dem Bedürfnis danach und aus der Sorge um ein gerechtes und faires Miteinander erklären lassen, als solche, die sich ausschließlich auf die Autorität eines donnernden, eifersüchtigen, eitlen, drohenden und zum Glück nur fiktiven Wesens berufen.
Jesus und die Sklaven
„Wenn einer von euch einen Sklaven hat, der pflügt oder das Vieh
hütet, wird er etwa zu ihm, wenn er vom Feld kommt, sagen: Nimm gleich
Platz zum Essen? Wird er nicht vielmehr zu ihm sagen: Mach mir etwas zu
essen, gürte dich und bediene mich; wenn ich gegessen und getrunken
habe, kannst auch du essen und trinken. Bedankt er sich etwa bei dem Sklaven,
weil er getan hat, was ihm befohlen wurde? So soll es auch bei euch sein:
Wenn ihr alles getan habt, was euch befohlen wurde, sollt ihr sagen: Wir
sind unnütze Sklaven; wir haben nur unsere Schuldigkeit getan."
Lukas 17, 7-10. Einheitsübersetzung der Bibel.
Paulus und die Sklaverei
In einem Brief an einen anderen Christen namens Philemon bittet Paulus,
den entlaufenen Sklaven Onesimus, den er zu seinem Herrn zurückschickt,
wieder aufzunehmen, und zwar „nicht mehr als Sklaven, sondern als
weit mehr: als geliebten Bruder. Das ist er jedenfalls für mich, um
wie viel mehr dann für dich, als Mensch und auch vor dem Herrn. Wenn
du dich mir verbunden fühlst, dann nimm ihn also auf wie mich selbst!“
Allerdings bittet Paulus ausdrücklich nur, und befiehlt dies nicht.
Außerdem schreibt Paulus im 3. Brief an die Kolosser: „Ihr Sklaven,
gehorcht euren irdischen Herren in allem! Arbeitet nicht nur, um euch bei
den Menschen einzuschmeicheln und ihnen zu gefallen, sondern fürchtet
den Herrn mit aufrichtigem Herzen!“ Im 6. Brief an die Epheser heißt
es: „Ihr Sklaven, gehorcht euren irdischen Herren mit Furcht und Zittern
und mit aufrichtigem Herzen, als wäre es Christus.“ (Einheitsübersetzung
der Bibel) In den USA wurden solche Aussagen bis ins 19. Jahrhundert als
Legitimation für die Versklavung der Schwarzen interpretiert.
Martin Luther und der Bauernkrieg
Ab 1524 kam es im süddeutschen Raum, Thüringen, Österreich
und der Schweiz zu Aufständen der Bauern gegen die Fürsten. Die
Bauern beriefen sich auch auf die Lehren des Reformators Martin Luther,
die sie allerdings missverstanden hatten. Als sich 1525 nach etlichen Niederlagen
der Bauern bereits abzeichnete, dass sie vollständig geschlagen würden,
veröffentlichte Luther seine Schrift „Wider die Mordischen und
Reuberischen Rotten der Bauren“. Besonders zornig war Luther offenbar
darüber, dass die Bauern die Adligen der Burg und der Stadt Weinsberg
nach der Eroberung hingerichtet hatten. Luther hatte 1520 geschrieben, ein
Christenmensch sei ein freier Herr über alle Dinge und niemandem untertan,
allerdings zugleich auch ein dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann
untertan. Mit dem freien Menschen gemeint war allerdings der durch das Evangelium
befreite innerliche Mensch und nicht der leibliche Mensch.
Mohammed und die Sklaverei
Sklaven werden in verschiedenen Suren des Koran erwähnt, und zwar auf
eine Weise, die den Eindruck erwecken könnte, dass es nicht falsch
ist, Sklaven zu halten. Für den Propheten war Sklaverei offenbar in
Ordnung. Es gibt Suren, die den Umgang mit Kriegsbeute regeln, in denen
auch von Sklaven die Rede ist, oder Sklaven können als Sühne für
eine versehentliche Tötung freigelassen werden. Die Sure 33,50 wird
vom Zentralrat der Muslime in Deutschland auf der Seite islam.de übersetzt
mit: „O Prophet, Wir erlaubten dir deine Gattinnen, denen du ihre
Brautgabe gegeben hast, und jene, die du von Rechts wegen aus (der Zahl)
derer besitzt, die Allah dir als Kriegsbeute gegeben hat, ...“
Andere Quellen, etwa koransuren.de, zeigen Übersetzungen, die in Bezug
auf „die du von Rechts wegen ... besitzt“ offen das Wort Sklavinnen
verwenden. Gerichtet ist das Wort hier an Mohammed, dem Allah demnach den
Besitz von Sklavinnen als Kriegsbeute erlaubte.
Die Sure 4,3 wird auf islam.de zitiert mit: „Und wenn ihr befürchtet,
nicht gerecht hinsichtlich der Waisen zu handeln, dann heiratet, was euch
an Frauen gut scheint, zwei, drei oder vier. Wenn ihr aber befürchtet,
nicht gerecht zu handeln, dann (nur) eine oder was eure rechte Hand besitzt.“
Auch hier wird „was eure rechte Hand besitzt“ woanders deutlicher
mit Sklavinnen übersetzt.
Das Jenseits des Benedikt XVI.
Brea MacLoughlin bezieht sich hier auf die Beschreibungen des Papstes in
seiner Enzyklika Spe Salvi. Es war seine zweite Enzyklika, veröffentlicht
am 30. November 2007.
In nihil ab nihilo quam cito recidimus
Wie schnell fallen wir vom Nichts ins Nichts zurück. (Übersetzung
von Benedikt XVI. in der Enzyklika Spe Salvi) Es handelt sich um eine römische
Grabinschrift. Vollständig heißt sie: Nihil sumus et fuimus mortales.
Respice, lector: In nihil ab nihilo quam cito recidimus.(Wir sind nichts
und waren Sterbliche. Bedenke, Leser: Aus dem Nichts ins Nichts fallen wir
zurück in kürzester Zeit.) Übersetzt von Hans Dieter Betz
in „Antike und Christentum“. Das Original findet sich gesammelt
von Hieronymus Geist in Römische Grabinschriften, gelistet im Corpus
Inscriptionum Latinarum, Bd. VI, Nr. 26003.
Abraham feilscht mit Gott
Im Kapitel 18 im 1. Buch Mose (Genesis) macht sich Gott auf, Sodom und Gomorra
zu zerstören und kommt an Abrahams Zelt vorbei. (Wieso geht Gott zu
Fuß von einem Ort zum anderen? Kann er die Städte nicht von dort
aus zerstören, wo auch immer er sonst ist? Schließlich ist er
allmächtig.) Abraham versucht, seinen Herrn zu beeinflussen. „Er
trat näher und sagte: Willst du auch den Gerechten mit den Ruchlosen
wegraffen? Vielleicht gibt es fünfzig Gerechte in der Stadt: Willst
du auch sie wegraffen und nicht doch dem Ort vergeben wegen der fünfzig
Gerechten dort? Das kannst du doch nicht tun, die Gerechten zusammen mit
den Ruchlosen umbringen. Dann ginge es ja dem Gerechten genauso wie dem
Ruchlosen. Das kannst du doch nicht tun. Sollte sich der Richter über
die ganze Erde nicht an das Recht halten?
Da sprach der Herr: Wenn ich in Sodom, in der Stadt, fünfzig Gerechte
finde, werde ich ihretwegen dem ganzen Ort vergeben.“
Abraham handelt Gott dann auf zehn Gerechte herunter, um deren willen Gott
die Stadt schonen will. Bekanntlich entgingen Sodom und Gomorra der Zerstörung
jedoch nicht.
Der Prophet Elischa und der Bär
Im 2. Buch der Könige, Kapitel 2, heißt es vom Propheten Elischa:
„Von dort ging er nach Bet-El. Während er den Weg hinaufstieg,
kamen junge Burschen aus der Stadt und verspotteten ihn: Sie riefen ihm
zu: Kahlkopf, komm herauf! Kahlkopf, komm herauf! Er wandte sich um, sah
sie an und verfluchte sie im Namen des Herrn. Da kamen zwei Bären aus
dem Wald und zerrissen zweiundvierzig junge Leute. Von dort ging er zum
Berg Karmel und kehrte dann nach Samaria zurück." (Einheitsübersetzung
der Bibel)
Origenes und der Anhauch des Heiligen Geistes
Die biblischen Schriften sind dem Kirchenvater Origenes von Alexandria (185
- 254) zufolge „unter dem Anhauch des Heiligen Geistes nach dem Willen
des Vaters aller Dinge durch Jesus Christus niedergeschrieben und auf uns
gekommen.“ Selbst im zufälligsten Buchstaben der Schrift erscheint
demnach die Weisheit Gottes. So schildert es Hans-Michael Haußig in
„Schriftenauslegung im antiken Judentum und Urchristentum“.
(Herausgegeben von Martin Hengel und Hermut Löhr, J. C. B. Mohr Tübingen
1994.)
Abaelardus und die Vernunft
Petrus Abaelardus (1079 - 1142) war Theologe und Philosoph. Die
Liebesaffäre mit seiner Schülerin Heloise war ein Skandal und
der Onkel der jungen Frau ließ Abaelard, obwohl inzwischen schon ihr
Ehemann, kastrieren. Abaelard überlebte, zog sich aber in ein Kloster
zurück, ebenso wie Heloise. Der Briefwechsel zwischen beiden ist berühmte
mittelalterliche Literatur. Theologische Bedeutung gewann Abaelard, da er
mehr als hundert Widersprüche in den Texten der Bibel und der Kirchenväter
aufgespürt hatte. Er forderte, „nihil credendum, nisi prius intellectum“.
(Nichts ist zu glauben, wenn es nicht verstanden ist.)
Das brachte ihn in Konflikt mit dem bedeutenden Zisterzienserabt Bernhard
von Clairvaux. Für diesen war, wie Papst Benedikt XVI. während
der Generalaudienz am 4. November 2009 sagte, „der Glaube selbst mit
einer inneren Gewissheit ausgestattet, die auf das Zeugnis der Schrift und
die Lehre der Kirchenväter gegründet ist.“ Bernhard stellte
fest: „Das menschliche Verstandesdenken nimmt alles in Besitz und
lässt nichts mehr für den Glauben übrig. Es setzt sich mit
dem auseinander, was über ihm steht, erforscht, was höher ist
als es selbst, es bricht in die Welt Gottes ein, verfälscht die Geheimnisse
des Glaubens mehr als sie zu erhellen; was verschlossen und versiegelt ist,
öffnet es nicht, sondern entwurzelt es, und was es für sich als
nicht beschreitbar befindet, sieht es als nichtig an und lehnt es ab, daran
zu glauben.“ Es folgte eine Verurteilung der Lehre des Abaelardus
durch die Kirche, seine Werke wurden in Rom öffentlich verbrannt. Die
Verurteilung, so Papst Benedikt XVI., erinnere uns daran, dass es im theologischen
Bereich ein Gleichgewicht zwischen dem geben muss, was wir die architektonischen
Prinzipien nennen können, die uns von der Offenbarung gegeben sind
und daher stets die vorrangige Bedeutung bewahren, und jenen Auslegungsprinzipien,
die uns von der Philosophie, das heißt von der Vernunft, nahegelegt
werden und die eine wichtige, aber nur instrumentelle Funktion haben. Es
habe zwischen Bernhard und Abaelard eine volle Versöhnung gegeben,
fährt Benedikt fort. „Abaelard zeigte Demut, indem er seine Irrtümer
anerkannte, und Bernhard ließ großes Wohlwollen walten. Bei
beiden überwog das, was einem wirklich am Herzen liegen muss, wenn
eine theologische Kontroverse entsteht, das heißt, den Glauben der
Kirche zu schützen und die Wahrheit in der Liebe triumphieren zu lassen.
Möge dies auch heute die Haltung sein, mit der man in der Kirche Auseinandersetzungen
führt, wobei man als Ziel stets die Suche nach der Wahrheit vor Augen
hat.“ (Generalaudienz am 4. November 2009)
Letztlich fordert der Papst hier: Möge der Verstand schweigen, wenn
die Kirche in Gefahr ist, gesucht wird nur nach einer Wahrheit, die ihre
Lehren nicht gefährdet.
„Meine Seele ist zu Tode betrübt“
Nach dem letzten Abendmahl ging Jesu mit seinen Jüngern zum Ölberg
hinaus. „Sie kamen zu einem Grundstück, das Getsemani heißt,
und er sagte zu seinen Jüngern: Setzt euch und wartet hier, während
ich bete.Und er nahm Petrus, Jakobus und Johannes mit sich. Da ergriff ihn
Furcht und Angst, und er sagte zu ihnen: Meine Seele ist zu Tode betrübt.
Bleibt hier und wacht! Und er ging ein Stück weiter, warf sich auf
die Erde nieder und betete, dass die Stunde, wenn möglich, an ihm vorübergehe.
Er sprach: Abba, Vater, alles ist dir möglich. Nimm diesen Kelch von
mir! Aber nicht, was ich will, sondern was du willst.“ (Evangelium
nach Markus (14), hier fast identisch mit dem Evangelium nach Matthäus
(26) nach der Einheitsübersetzung der Bibel)